„Frauen werden bei der Hochschulkarriere benachteiligt.“
DIE WAHRHEIT HINTER DEM BELIEBTEN IRRTUM:
Unter Studierenden sind etwa genauso viele Frauen wie Männer. Auch bei der Promotion liegt der Frauenanteil noch bei über 40 Prozent. Unter den Hochschullehrern mit Professorentitel sind dann allerdings nur noch knapp 15 Prozent Frauen. Ein klarer Fall von Benachteiligung, die durch staatliche Maßnahmen ausgeglichen werden sollte? Das Bundesbildungsministerium scheint sich dieser feministischen Interpretation anzuschließen und fördert Programme für mehr Professorinnen mit enormen Beträgen. 150 Millionen machte allein ein 2008 beschlossenes Förderprogramm aus. [1] Hochschulen wie die Ludwig-Maximilians-Universität zu München zahlen gar eine Kopfprämie von 25.000 Euro für die Berufung eines weiblichen Bewerbers. „Es wird mit (fast) allen Mitteln gearbeitet, um weiblichen Bewerbern einen Vorteil gegenüber männlichen Bewerbern zu verschaffen“, stellte der Bildungsforscher Michael Klein in seinem Blog Kritische Wissenschaft kopfschüttelnd fest. „Wie dies mit dem Gleichheitsgrundsatz im Grundgesetz vereinbar sein soll, ist mir nicht nachvollziehbar.“ [2]
Konsequenterweise veröffentlichte Klein eine Blacklist von Universitäten, an denen weibliche Bewerber bevorzugt auf offene Stellen berufen werden. [3] Darüber hinaus verwies er auf die Untersuchung „Who Becomes a Tenure Professor, and Why?“ der Soziologen Mark Lutter und Martin Schröder [4] über ihren Fachbereich und fasste deren Ergebnisse zusammen: Weibliche Bewerber werden schneller berufen als männliche Bewerber. Männer müssen zwei Jahre länger auf eine Berufung warten als Frauen. Und weibliche Bewerber, die auf eine Professur berufen werden, haben deutlich weniger als männliche Bewerber publiziert. [5] Zwölf Tage später berichtete auch die Frankfurter Allgemeine unter der Überschrift „Frauen klar im Vorteil. Wie man zu einer Soziologie-Professur kommt“ über die Erkenntnisse dieser Untersuchung: „Bisherige Studien haben diesen relativen Vorteil mit der hohen Zahl von Gender-Lehrstühlen in der Soziologie erklärt. (…) Nach der neuen Studie sind die Aussichten von Frauen auf eine Professur aber auch außerhalb der Gender Studies noch um 36 Prozent größer.“ [6]
Diskriminiert werden hier also tatsächlich die Männer, was in Feminismus- und Gender-Kreisen üblicherweise als „positive Diskriminierung“ bezeichnet wird. Denn bestimmt ist die Einseitigkeit im Fachbereich Soziologie nur ein statistischer Ausreißer und die zig Millionen schwere Förderung von Professorinnen dringend notwendig, weil Frauen bei ihrer Hochschullaufbahn sonst deutlich benachteiligt werden – und zwar international, jahrzehntelang und quer über die Fachbereiche hinweg?
Offen gesagt: Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Tatsächlich haben weibliche Bewerber eine doppelt so hohe Chance wie gleichermaßen qualifizierte Männer auf eine akademische Position – und zwar international, jahrzehntelang und quer über die Fachbereiche hinweg. Zu diesem Ergebnis gelangte eine Untersuchung, die Professor Stephen Ceci und Professorin Wendy Williams, letztere Direktorin des Connell Institute for Women in Science, im wissenschaftlichen Fachmagazin Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlichten. [7] Der Sender CNN zitiert die Autoren dieser Studie mit folgenden Worten:
„Die vorherrschende Annahme ist, dass sexistische Einstellungen in der akademischen Wissenschaft die Karriere von Frauen blockieren, bevor sie überhaupt beginnt. (…) Aber die Fakten sprechen eine andere Sprache. Überprüfungen, von denen einige bis in die achtziger Jahre zurückgehen, decken auf, dass weibliche Wissenschaftler eine erheblich höhere Chance haben, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen und eingestellt zu werden als Männer. Obwohl Frauen sich seltener um einen Arbeitsplatz bewarben, waren ihre Chancen, den Job zu bekommen, in der Regel besser, wenn sie sich beworben haben. Frauen hatten insgesamt einen Vorteil von 2:1 in allen untersuchten Bereichen. Diese Bevorzugung von Frauen wurde von männlichen und weiblichen Fakultätsmitgliedern gleichermaßen zum Ausdruck gebracht, mit der einzigen Ausnahme von männlichen Ökonomen, die in ihren Präferenzen geschlechtsneutral waren. Unter bestimmten Bedingungen erreichten die Frauen einen Vorsprung von 4:1. Wenn Frauen mit Männern verglichen wurden, die den gleichen Lebensstil teilten, ergaben sich Vorteile für Frauen in allen demographischen Gruppen – darunter alleinstehende oder verheiratete Frauen ohne Kinder, verheiratete Frauen mit Vorschulkindern und geschiedene Mütter.“ [8]
In ihrem CNN-Interview erklären Ceci und Williams, von den Ergebnissen ihrer Untersuchung „schockiert“ gewesen zu sein. Und in einem Artikel über ihre Studie, veröffentlicht im Chronicle of Higher Education, berichten sie: „Weil diese Erkenntnisse der Behauptung, Frauen würden sexistisch benachteiligt, zuwiderläuft, wurde sie in den Nachrichtenmedien und im akademischen Sektor mit Unglauben und oft mit Panik aufgenommen.“ [9] Nur einzelne Journalisten wie Margaret Wente in der kanadischen Globe and Mail formten eine beliebte feministische Forderung so um, dass sie endlich der Wirklichkeit gerecht wurde: „Ladies, checkt eure Privilegien!“ [10]
Dabei war die Aufregung um die Studie von Ceci und Williams unnötig groß – denn wie das Fachmagazin Psychology Today berichtet, gibt es bereits eine ganze Reihe von Untersuchungen, die eine Bevorzugung von Frauen im Wissenschaftssektor belegen. [11] In einer Studie aus dem Jahr 1990 etwa wurde ein Manuskript mit demselben Inhalt mal mit dem Namen eines weiblichen und mal mit dem Namen eines männlichen Verfassers zur Bewertung eingereicht. Das Ergebnis: Männliche Mitglieder des akademischen Lehrkörpers blieben bei ihren Bewertungen unvoreingenommen vom Geschlecht des Autors, während weibliche Mitglieder Frauen bevorzugten, was insgesamt natürlich die Chancen von Frauen verbesserte. [12] Und in einer Studie aus dem Jahr 2017 zeigte sich, dass männliche Wissenschaftler Frauen und Männer als gleichermaßen intelligent beurteilen, Wissenschaftlerinnen aber Frauen für intelligenter, rationaler und objektiver als Männer halten. [13]
Derartige Erkenntnisse zeigen sich in den verschiedensten Ländern der westlichen Welt. So berichtet etwa Academics.de über Ergebnisse einer Analyse von Berufungsverfahren an der Universität Konstanz:
„Über alle Ausschreibungen gemittelt finden wir für Wissenschaftlerinnen etwas bessere Chancen auf Listenplätze als für ihre männlichen Mitbewerber. Mit jeder Verfahrensstufe kommt es zu einem kontinuierlichen Anstieg der Frauenanteile. Nur für den ersten Listenplatz werden verhältnismäßig weniger Wissenschaftlerinnen gegenüber den gelisteten Personen ausgewählt (…). Gleichwohl sind Frauen auch unter den Erstplatzierten stärker vertreten, als es ihrem Anteil an den Bewerbungen entspricht (21,0 gegenüber 16,7 Prozent). Dies gilt speziell in den Geisteswissenschaften und bei den statushöheren Professuren. (…) Auf der Grundlage der vorhandenen Daten können wir also keine systematische Benachteiligung von Wissenschaftlerinnen in den Berufungsverfahren feststellen.“ [14]
Eine französische Studie aus dem Jahr 2016 sieht Frauen in den „typisch männlichen“ Fachbereichen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) bevorzugt statt benachteiligt:
„Die Diskriminierung von Frauen wird als eine der möglichen Ursachen für ihre Unterrepräsentation in bestimmten MINT-Fächern (Naturwissenschaften, Technik, Ingenieurwissenschaften und Mathematik) angesehen. Wir zeigen, dass dies nicht der Fall ist bei den Auswahlverfahren, mit denen fast alle französischen Lehrer und Professoren der Sekundarstufe II und der Sekundarstufe II rekrutiert werden. Vergleiche von mündlichen, nicht geschlechtsspezifischen Blindversuchen mit schriftlichen geschlechtsblinden Versuchen für ca. 100.000 Personen, die in 11 verschiedenen Bereichen im Zeitraum 2006-2013 beobachtet wurden, zeigen eine Voreingenommenheit zugunsten von Frauen, die mit dem Ausmaß der männlichen Dominanz eines Feldes stark zunimmt.“ [15]
In dem Artikel „Diskriminierung findet nicht statt“, veröffentlicht in der Frankfurter Allgemeinen vom 25. Oktober 2016, berichtet André Kieserling über den Genderforscher Stefan Hirschauer von der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, der ermittelte, dass von einer Benachteiligung von Frauen im universitären Betrieb keine Rede sein kann. [16] Kieserling führt aus:
„Irrig ist ferner die Meinung, sie müssten wahre Wunder an Leistungsbereitschaft vollbringen, um sich gegen das frauenfeindliche Vorurteil durchzusetzen. Misst man die wissenschaftliche Leistung an der Zahl der Publikationen, dann haben die erfolgreichen Frauen hier eher weniger zu bieten als die erfolgreichen Männer. (…) Für den Wissenssoziologen ergibt sich daraus die Frage, warum die Überzeugung vom Gegenteil sich so hartnäckig hält. Hirschauer gibt darauf drei verschiedene Antworten: Die Vorstellung, ein Opfer von Diskriminierung zu sein, ergebe eine psychisch kommode Enttäuschungserklärung, denn sie erspare die Selbstzurechnung des Misserfolgs in kompetitiven Situationen. Außerdem werde diese Antwort durch Politiker und öffentliche Meinung so stark unterstützt, dass man nicht fürchten muss, andere könnten hier einfach auf Ressentiments tippen. Und schließlich sei die Daseinsberechtigung der Gleichstellungsbürokratie von der immer erneuten Anprangerung des vermeintlichen Unrechts abhängig.“
In der Frankfurter Rundschau etikettiert Pamela Dörhöfer Hirschauer zwar als „Provokateur“, womit man inzwischen offenbar jemanden bezeichnet, der in einer feministischen Debatte auf die tatsächliche Datenlage hinweist. Aber immerhin fasst sie Hirschauers Erkenntnisse treffend zusammen:
„Frauen würden dabei keineswegs benachteiligt, im Gegenteil: ‚Jede 18. Frau, die sich bewirbt, erhält eine Professur im Bereich der Naturwissenschaften, aber nur jeder 23. Mann.‘ Somit seien die Chancen für Frauen sogar eher höher, sie würden in der Wissenschaft sogar ‚hofiert‘; für den Soziologen eine ‚Übersteuerung‘.“ [17]
Die liberale Feministin Christina Hoff Sommers erläutert im Politmagazin National Review, wie problematisch die widerlegten Fehlannahmen sind:
„Der irreführende Fokus auf Diskriminierung beherrscht jetzt alles. Auf Geheiß von Frauengruppen veranstaltete der Kongress im letzten Jahrzehnt mehrere Anhörungen zur ‚Krise‘ des Sexismus in den Wissenschaften. Forscher wie Ceci und Williams spielten dabei keine Rolle – nur wahre Gläubige wurden als Sachverständige hinzugezogen. Mitglieder des Kongresses, von beiden Parteien, gewährten auch einem schlagkräftigen Gleichstellungsprogramm namens ADVANCE starke Unterstützung. ADVANCE hat Millionen von Dollars an Aktivisten in Universitäten für Anti-Sexismus-Zentren, Workshops, Tutorien und interaktive Theatergruppen vergeben. Um nur ein Beispiel zu nennen: Gender-Aktivisten am Hastings College of Law der University of California erhielten einen Zuschuss in Höhe von 300.000 Dollar für die Entwicklung eines Gender- Bias-Bingo: ein Online-Spiel, das das Bewusstsein der Spieler für die ‚vier Muster der sexistischen Vorurteile‘ schärfen soll.“ [18]
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[1] Vgl. Feldrapp, Margita: 150 Millionen Euro für mehr Professorinnen. In: Die Welt vom 4.9.2008. Online unter https://www.welt.de/welt_print/article2393042/150-Millionen-Euro-fuer-mehr-Professorinnen.html.
[2] Vgl. Klein, Michael: LMU-München zahlt Kopfprämie. Online seit dem 2.6.2013 unter https://sciencefiles.org/2013/06/02/lmu-munchen-zahlt-kopfpramie.
[3] Vgl. Klein, Michael: Blacklist: Männerdiskriminierung an Hochschulen (#MenDiscrimination). Online seit dem 30.5.2013 unter https://sciencefiles.org/2013/05/30/blacklist-mannerdiskriminierung-an-hochschulen-mendiscrimination.
[4] Vgl. Lutter, Mark und Schröder, Martin: Who Becomes a Tenure Professor, and Why? Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, Discussion Paper 14/19, online unter http://www.mpifg.de/pu/mpifg_dp/dp14-19.pdf.
[5] Vgl. Klein, Michael: Erstmals klar belegt: systematische Diskriminierung von Männern an Universitäten. Online seit dem 17.1.2015 unter http://sciencefiles.org/2015/01/17/erstmals-klar-belegt-systematische-diskriminierung-von-mannern-an-universitaten.
[6] Vgl. N.N.: Frauen im Vorteil. Wie man zu einer Soziologie-Professur kommt. In: Frakfurter Allgemeine vom 29.1.2015 unter http://www.faz.net/aktuell/beruf-chance/campus/wie-man-zu-einer-soziologie-professur-kommt-13391969.html.
[7] Vgl. Williams, Wendy und Ceci, Stephen: National hiring experiments reveal 2:1 faculty preference for women on STEM tenure track. In: Proceedings of the National Academy of Sciences Vol. 112, Nr. 17/2015, online unter http://www.pnas.org/content/112/17/5360.abstract.
[8] Vgl. Williams, Wendy und Ceci, Stephen: The myth about women in science. Online seit dem 13.4.2015 unter http://edition.cnn.com/2015/04/13/opinions/williams-ceci-women-in-science/index.html.
[9] Vgl. Williams, Wendy und Ceci, Stephen: Passions Supplant Reason in Dialogue on Women in Science. In: The Chronicle of Higher Education. Online seit dem 10.9.2015 unter http://chronicle.com/article/Passions-Supplant-Reason-in/232989.
[10] Vgl. Wente, Margaret: Ladies, check your privilege. In: The Globe and Mail vom 28.1.2017. Online unter http://www.theglobeandmail.com/opinion/ladies-check-your-privilege/article33797846.
[11] Vgl. Jussim, Lee: Gender Bias in Science? In: Psychology Today vom 14.7.2017. Online unter https://www.psychologytoday.com/blog/rabble-rouser/201707/gender-bias-in-science.
[12] Vgl. Lloyd, Margaret: Gender Factors In Reviewer Recommendations for Manuscript Publication. In: Journal of Applied Behavior Analysis Nr. 4/1990, S. 539-543. Online unter https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC1286270/pdf/jaba00090-0150.pdf
[13] Vgl. Veldkamp, Coosje: Who Believes in the Storybook Image of the Scientist? In: Accountability in Research Vol. 24, Nr. 3/2017, S. 127-151, online unter http://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/08989621.2016.1268922.
[14] Vgl. Auspurg, Katrin und Hinz, Thomas: Wer beruft Professorinnen? Online seit Juni 2008 unter https://www.academics.de/wissenschaft/wer_beruft_professorinnen_30737.html.
[15] Vgl. Breda, Thomas und Hillion, Mélina: Teaching accreditation exams reveal grading biases favor women in male-dominated disciplines in France. In: Science, Vol 353, Issue 6298 vom 29. Juli 2016, S. 474-478. Online unter http://science.sciencemag.org/content/353/6298/474.
[16] Vgl. Hirschauer, Stefan: Der Diskriminierungsdiskurs und das Kavaliersmodell universitärer Frauenförderung. In: Soziale Welt Nr. 67 (2016), S. 119–137.
[17] Vgl. Dörhöfer, Pamela: Die unerreichbare Spitze. In: Frankfurter Rundschau vom 27.11.2015. Online unter http://www.fr-online.de/wissenschaft/frauenquote-die-unerreichbare-spitze,1472788,32654608.html
[18] Vgl. Sommers, Christina Hoff: Is Science Saturated with Sexism? New Evidence Suggests the Opposite. Online seit dem 15.2.2011 unter http://www.nationalreview.com/article/259744/science-saturated-sexism-christina-hoff-sommers.