Lexikon der feministischen Irrtümer

Politisch korrekte Vorurteile und männerfeindliche Mythen auf dem Prüfstand der Wissenschaft

von Arne Hoffmann

„Diversity-Politik in Unternehmen hilft Frauen beim Aufstieg.“

DIE WAHRHEIT HINTER DEM BELIEBTEN IRRTUM:

„Diversity“ (zu deutsch: „Vielfalt“)  lautet eines der neuen Zauberworte einer frauenfreundlichen Unternehmenskultur. „Diversity Management“ im Personalwesen bedeutet, dass man die Anwesenheit von Mitarbeitern, die sich vom Rest der Belegschaft unterscheiden (etwa wegen ihres Geschlechts), besonders wertschätzt. Wenn eine Firma diesem Konzept folgt, versucht sie beispielsweise, Frauen nicht aus dem Management draußen zu halten, sondern heißt sie ausdrücklich willkommen und begünstigt ihren Aufstieg.

In ihrem in der Harvard Business Review veröffentlichten Aufsatz „Why Diversity Programs Fail“ mussten die Professoren für Soziologie Frank Dobbin (Harvard) und Alexandra Kalev (Universität Tel Aviv) jedoch ernüchtert feststellen, dass spezielle Trainings, um die Vielfalt in Unternehmen zu fördern, keinen Erfolg zeigten. Im Gegenteil: Der Anteil der Frauen sank von 39 auf 35 Prozent.

Es sei keine Überraschung, dass die meisten Diversity-Programme erfolglos seien, erklären Dobbin und Kalev:

„Trotz viel neuen Schnickschnacks verstärken die Unternehmen im Grunde genommen die gleichen Ansätze, die sie seit den 1960er Jahren praktiziert haben – was die Dinge oft nicht besser, sondern schlechter macht. Die Unternehmen stützen sich seit langem auf Diversity-Schulungen, um die Vorurteile am Arbeitsplatz zu verringern, setzen Tests und Leistungsbeurteilungen ein, um diese Vorurteile bei der Einstellung und Beförderung von Mitarbeitern einzuschränken, und installieren Beschwerdesysteme, um den Mitarbeitern die Möglichkeit zu geben, Manager mit ihrem Fehlverhalten zu konfrontieren. Diese Instrumente sind dazu da, um Klagen durch die Gedanken und Handlungen von Führungskräften vorzubeugen. Laboruntersuchungen zeigen jedoch, dass diese Art von Zwang Vorurteile eher  aktivieren kann, statt sie auszumerzen. Wie Sozialwissenschaftler herausgefunden haben, rebellieren Menschen oft gegen Regeln, um ihre Autonomie durchzusetzen. Versuchen Sie, mich zu zwingen, X, Y oder Z zu tun, und ich tue das Gegenteil, nur um zu beweisen, dass ich mein eigener Herr bin.“

Weiter heißt es bei Dobbin und Kalev:

„Haben Menschen, die eine Ausbildung in Diversity absolvieren, in der Regel ihre Vorurteile verloren? Seit der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg haben die Forscher diese Frage in fast tausend Studien untersucht. Es stellt sich heraus, dass die Menschen zwar leicht lernen, auf einen Fragebogen über Voreingenommenheit richtig zu antworten, aber die richtigen Antworten schnell vergessen. Die positiven Effekte des Diversity-Trainings dauern selten länger als ein oder zwei Tage, und eine Reihe von Studien deuten darauf hin, dass es Vorurteile aktivieren oder einen Rückschlag auslösen kann. Dennoch nutzen es fast die Hälfte der mittelständischen Unternehmen und fast alle Fortune-500-Unternehmen.“

Vor diesem Hintergrund ziehen die Soziologen ein klares Fazit:

„Die vorliegenden Zahlen fassen es zusammen. Ihre Organisation wird weniger abwechslungsreich, nicht mehr, wenn Sie von Managern verlangen, dass sie zu einem Diversity-Training gehen, ihre Einstellungs- und Beförderungsentscheidungen regeln und ein legalistisches Beschwerdesystem anwenden.“

Wer tatsächlich mehr Vielfalt in seinem Unternehmen wünsche, so Dobbin und Kalev, müsse anders vorgehen: etwa indem er Manager motiviere, diese Vielfalt herzustellen, und dafür sorgen, dass diese Führungskräfte mehr Kontakt zu Mitarbeitern aufnehmen, die in der Firma eine Minderheit darstellen – also beispielsweise mit Frauen. [1]

In einem weiteren Beitrag des Harvard Business Review gelangten Tessa Dover, Brenda Major und Cheryl Kaiser zum selben Ergebnis:

„Eine Längsschnittstudie von über 700 US-Unternehmen ergab, dass die Umsetzung von Diversity-Trainingsprogrammen wenig positive Auswirkungen hat und die Repräsentation schwarzer Frauen möglicherweise sogar abnimmt. Die meisten Menschen gehen davon aus, dass Diversity-Politik Unternehmen fairer für Frauen und Minderheiten macht, obwohl die Daten etwas anderes vermuten lassen.“

Regelrechten Schaden scheint unreflektierte Diversity-Politik bei weißen Männern anzurichten:

„Im Vergleich zu den weißen Männern, die in Firmen befragt wurden, bei denen Diversity kein Thema ist, erwarteten weiße Männer, die für Pro-Diversity-Unternehmen befragt wurden, eine ungerechtere Behandlung und Diskriminierung. Auch im Vorstellungsgespräch schnitten sie schlechter ab, wie unabhängige Gutachter beurteilten. Ihre kardiovaskulären Reaktionen während des Interviews zeigten, dass sie stärker gestresst waren. So signalisierten Pro-Diversity-Botschaften diesen weißen Männern, dass sie unterbewertet und diskriminiert werden könnten. Diese Bedenken störten ihre Performance im Vorstellungsgespräch und veranlassten ihre Körper, so zu reagieren, als seien sie bedroht. Wichtig: Diversity-Botschaften führten zu diesen Effekten ungeachtet der politischen Positionierung dieser Männer, ihrer Einstellung gegenüber Minderheiten, ihrer Überzeugungen über die Häufigkeit von Diskriminierung oder ihrer Überzeugungen über die Fairness der Welt.“ [2]

Muss man angesichts dieser Sachlage auch befürchten, dass eine von oben erzwungene Diversitypolitik der Zusammenarbeit von Frauen und Männern schadet? Die Diplom-Volkswirtin Angela Dorrough und Prof. Dr. Andreas Glöckner vom Lehrgebiet „Urteilen, Entscheiden, Handeln“ am Psychologischen Institut der Fernuniversität in Hagen haben sich gemeinsam mit Dr. Monika Leszczynska von der New York University und Prof. Manuela Barreto von der University of Exeter mit dieser Frage beschäftigt. In zwei Laborexperimenten untersuchten die Wissenschaftler, wie die Einführung einer Geschlechterquote diese Teamarbeit verändert. „Die Ergebnisse zeigen“, berichtet Angela Dorrough, „dass sich die Quote negativ auf Kooperationsbereitschaft auswirkt, während eine Auswahl nach persönlicher Leistung die Kooperationsbereitschaft der involvierten Personen eher erhöht“. [3]

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[1] Vgl. hierzu und zu allen Zitaten Dobbin, Frank und Kalev, Alexandra: Why Diversity Programs Fail. In: Harvard Business Review von Juli/August 2016, online unter https://hbr.org/2016/07/why-diversity-programs-fail.

[2] Vgl. Dover, Tessa, Major, Brenda und Kaiser, Cheryl: Diversity Policies Rarely Make Companies Fairer, and They Feel Threatening to White Men. In: Harvard Business Review vom 4.1.2016. Online unter https://hbr.org/2016/01/diversity-policies-dont-help-women-or-minorities-and-they-make-white-men-feel-threatened.

[3] Vgl. N.N.: Die Frauenquote hemmt die Teamarbeit. In: FernUni Perspektive. Zeitung für Angehörige, Freundinnen und Freunde der FernUniversität Hagen. Ausgabe 59, Frühjahr 2017, S. 5. Online unter https://www.fernuni-hagen.de/imperia/md/content/presse/perspektive/perspektive59.pdf auf Seite 5 unten.