Lexikon der feministischen Irrtümer

Politisch korrekte Vorurteile und männerfeindliche Mythen auf dem Prüfstand der Wissenschaft

von Arne Hoffmann

„Es sind die Männer, die an überholten Geschlechterrollen festhalten.“

DIE WAHRHEIT HINTER DEM BELIEBTEN IRRTUM:

Der Vorwurf, verbale Aufgeschlossenheit bei gleichzeitiger Verhaltensstarre in puncto neuer Geschlechterrollen zu zeigen, wie es die ehemalige Frauenministerin Bergmann gerne formulierte, wurde bislang vor allem Männern gemacht, weil sich dies in die gängigen Diskurse vom mangelhaften Geschlecht gut einfügte. Tatsächlich wird es Männern vielfach von Frauen schwer gemacht, ihrer Geschlechterrolle zu entkommen. Das zeigt sich vor allem auf dem Partnermarkt. „Downdaten ist für Frauen tabu“ berichtete Deutschlandfunk Nova am 25. August 2016: „Am liebsten heiraten sie immer noch Männer, die erfolgreicher sind als sie selbst und ökonomische Sicherheit bieten.“ Bei Männern hingegen, so der Bamberger Soziologe Hans-Peter Blossfeld, habe sich der „strukturelle Zwang, nach unten Partnerinnen zu suchen (…) in den letzten Jahrzehnten total verändert“. [1]

Eine mit dem Soziologen Jan Skopek durchgeführte Studie Blossfelds zum Kontaktverhalten auf Onlinebörsen war zu dem Ergebnis gelangt, dass Frauen nahezu ausschließlich mit Männern kommunizieren, die einen gleichwertigen oder höheren Bildungsabschluss haben. Besonders Akademikerinnen sei das wichtig. „Je mehr sozialen Status und materielle Sicherheit ein Mann verspricht, umso attraktiver wird er“ berichtet Blossfeld. „Frauen suchen immer noch den Ernährertypen.“ [2]

Andere Forscher gelangten zu ähnlichen Erkenntnissen. „Eine neue Umfrage legt den unromantischen Schluss nahe: Männer wollen Liebe, Frauen nur Geld“ berichtete Nicola Erdmann 2014 in der Welt. [3] 70 Prozent der von einer Online-Partnervermittlung befragten Single-Frauen gaben nämlich an, das Einkommen eines potenziellen Partners sei ihnen wichtig, es müsse „gleich oder höher sein“. Bei den Männern hingegen sagen 80 Prozent, es sei ihnen „nicht wichtig“. Und als attraktivste Aussage zum Umgang des Partners mit Geld nannten die weiblichen Singles: „Lässt mich niemals zahlen.“

So werden schon im Ausleseprozess der ersten Verabredungen von weiblicher Seite traditionelle Geschlechterrollen durchgesetzt. Später in der Beziehung spielen sich Prozesse mit demselben Ergebnis ab. „Frauen wissen oft gar nicht, dass ihre Männer bereit wären, die Rolle des Kindererziehers zu übernehmen“ berichtet die Soziologin Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, nachdem sie die Lebensentwürfe von Frauen und Männern unter 30 Jahren untersucht hatte. „Sie reden während ihrer Entwicklung viel zu wenig mit Männern. Ihre Netzwerke sind meist ausschließlich weiblich. Auch ihre Väter spielen kaum eine Rolle. Woher sollen also die Einsichten in die Vorstellungswelt der Männer kommen? So werden stereotype Bilder eben nicht infrage gestellt.“ [4]

Solche Erkenntnisse sind keineswegs brandneu. Anfang 2002 bereits erschien in der Broschürenreihe Zukunftsforum Politik der Konrad-Adenauer-Stiftung eine von den Männerforschern Peter Döge und Rainer Volz herausgegebene Studie unter dem Titel „Wollen Frauen den neuen Mann? Traditionelle Geschlechterbilder als Blockaden von Geschlechterpolitik“. [5] In der Einleitung zu dieser Studie heißt es:

„Wenn sich Lebensplanung oder Verhaltenseinstellungen eines Partners ändern, muss der andere Teil mitziehen, sonst kann es sich nicht zum Ganzen fügen. Obwohl dies seit einiger Zeit bekannt ist und immer mehr Männer bereit sind, sich von traditionellen Rollenbildern zu befreien, geht es nicht wirklich voran. Was sind die Ursachen? Mit der vorliegenden Publikation analysieren wir mögliche Gründe. Offenbar stehen der Gleichberechtigung nicht nur strukturelle, gesetzliche oder gar ideologische Hindernisse entgegen. Es gibt auch andere ‚weiche‘ Faktoren, zum Beispiel das Verharren von Frauen in alten Rollenklischees, die das Zusammenleben maßgeblich beeinflussen.“

Bislang sei die Debatte recht einseitig verlaufen:

„Ein Blick auf die bisherige Geschlechterpolitik zeigt, dass Männer kaum ihr Gegenstand und ihre Bündnispartner waren. Abgesehen von einigen wenigen Appellen an die vermeintliche Faulheit der Männer bei der Hausarbeit und abgesehen von Maßnahmen gegen männliche Gewalttäter waren Männer bisher kein Ziel von entsprechenden Maßnahmen und Programmen. Geschlechterpolitik war überwiegend Frauenpolitik, nur Frauen hatten demzufolge ein Geschlecht. Männer blieben außen vor, blieben weitgehend geschlechtslos. Dabei waren die Rollen eindeutig verteilt: Frauen wurden als die vorwärts Treibenden, Männer in toto als die Blockierer bei der Neugestaltung der Geschlechterverhältnisse angesehen, ’neue Männer‘ blieben auf diese Weise zwischen allen Stühlen“.

Die Autoren stellten ihre Untersuchung in einem Artikel der Berliner tageszeitung am 21. Februar 2002 vor. Wie die folgenden Auszüge aus diesem Beitrag zeigen, könnte eine bisher weitgehend ausgeblendete Abwertung des „neuen Mannes“ vor allem durch die weibliche Bevölkerung ausschlaggebend dafür sein, dass sich dieser Lebensentwurf nur schwer durchsetzt:

„Zentrale Blockaden für aktive Väter, so das Ergebnis, sind: Vorurteile bei Vorgesetzten und Kollegen, aber auch bei Kolleginnen und sogar bei den eigenen Partnerinnen. Sie stellen die Fürsorgekompetenz ihrer Männer infrage. Nach Ansicht der schwedischen Frauenforscherin Ulla Björnberg wurde gerade diesem Umstand bisher viel zu wenig Aufmerksamkeit eingeräumt. (…) So schätzen sich Frauen noch immer als kompetenter in Haushaltsfragen ein. Einige der befragten Frauen begegnen einem größerem Engagement ihrer Männer im Haushalt gar mit Unbehagen. Zudem ist auch die Einstellung zum aktiven Vater ambivalent: Diesen Typus, verkörpert durch den viel gepriesenen ’neuen Mann‘, finden Frauen zwar ’sympathisch‘. Doch gleichzeitig sind erschreckend viele von ihnen der Ansicht, dass diese Rolle nicht ‚wirklich‘ zu einem Mann passe. Sie empfinden sie als unmännlich.

Zudem sprechen viele Frauen den Männern schon vor der Geburt des Kindes die Fürsorgekompetenz ab und kümmern sich daher lieber selbst um das Kind; der Mann wird zum Assistenten degradiert.

Insbesondere in traditionellen Arbeitermilieus zeigt sich ein großes Interesse von Frauen an einem ’starken‘ Mann. Diese Frauen sind auch keineswegs an der Aufnahme einer Erwerbsarbeit interessiert, selbstbestimmte Hausarbeit wird vielmehr als Chance gesehen, monotoner und unqualifizierter Arbeit zu entkommen. Einer schwedischen Untersuchung zufolge plädieren gar die Männer nach der Geburt eines Kindes eher für eine Vollzeittätigkeit ihrer Frauen, während diese mehr an Teilzeit interessiert sind. Auch in der Bundesrepublik finden Mütter und Väter mit Kindern bis zu neun Jahren ein Vollzeit-Vollzeit-Modell nicht wünschenswert, rund zwei Drittel der befragten Frauen wollen Teilzeit arbeiten.“

Peter Döges und Rainer Volzens Studie enthält Erkenntnisse, die über den hier zitierten taz-Artikel hinausgehen. Angesprochen wird beispielsweise

„die Ratlosigkeit gutwilliger und einsichtsfähiger Männer, wenn sie in die feministische ‚Beziehungsfalle‘ geraten: Sagen sie etwas zur Geschlechterfrage, ist es Anmaßung, sagen sie nichts, ist es Desinteresse; bleiben sie untätig, weil die Frauen ja das bessere Recht haben, den Weg zu bestimmen, ist das ‚typisch Mann‘, und er will nichts verändern; versuchen sie, sich aktiv gegen den Sexismus zu engagieren, ist das ‚typisch Mann‘, er will das Kommando übernehmen“.

Einige weitere Erkenntnisse der Studie:

– 44 Prozent der Frauen zwischen 18 und 45 Jahre sind lieber Hausfrauen. 80 Prozent der Frauen sind mit ihrer Hauptverantwortung für den Haushalt zufrieden. (S.46-47)

– 60 Prozent der Frauen finden, Erziehungsurlaub passe nicht zum Mann. (S. 47)

– Nur gut ein Fünftel der in einer Untersuchung befragten Frauen könnte sich in einen Mann verlieben, der „interessant und achtbar ist, aber ohne Macht“. Macht rangiere bei ihnen als ausschlaggebender Faktor fürs Verlieben, noch vor Geld, Charme und Eloquenz. Schönheit oder Intelligenz des Mannes sind dieser Untersuchung zufolge kaum ausschlaggebend. (S. 43)

– Die Frauen selbst sind daran interessiert, nach außen einen ’starken Mann‘ vorweisen zu können, der ihr eigenes Prestige erhöht. Dabei kommt es mitunter zu paradoxen Effekten: In manchen Situationen bestehen die Frauen rigider als die Männer auf der Einhaltung der Konventionen, um keinen Zweifel an der Männlichkeit des Ehemannes aufkommen zu lassen. (S.54-55)

Die Studie entlarvt somit sämtliche Propaganda von bösen Männern, die arme Frauen vom Berufsmarkt verdrängen und zu einem Hausfrauen-Dasein zwingen, sie dabei unterdrücken und ausbeuten, als Unfug.

Weitere internationale Untersuchungsergebnisse stützen diese Erkenntnisse. Im Jahr 2003 etwa fand die amerikanische Soziologin Pamela Smock bei ihren Befragungen von siebenhundert Frauen mit festem Partner heraus, dass diejenigen von ihnen eine Heirat ablehnten, deren Partner ein niedrigeres Einkommen und eine geringere Bildung als sie selbst aufwiesen. [6] Und am 10. Juli 2007 berichtete die britische Daily Mail über eine hohe Scheidungsrate bei Paaren, die von der politisch propagierten neuen Rollenaufteilung betroffen sind: „Es ist bitterste Ironie: Tausende von Männern, die ihre Arbeitsstelle aufgegeben haben, um sich um ihre Kinder zu kümmern, werden von ihren ehrgeizigen Frauen verlassen – die überhaupt erst wollten, dass sie zu Hause blieben.“ [7] In ähnlicher Weise zeigte sich, dass Frauen in den USA nach Beginn der Finanzkrise 2008 Investmentbanker als Partner häufig fallen ließen, nachdem deren Bonuszahlungen weit weniger üppig ausfielen als in den Jahren zuvor. [8]

Eine im American Sociological Review veröffentlichte Studie schließlich belegt, dass der Ausbruch von Männern aus ihrer Ernährerrolle eine Ehe ernsthaft gefährden kann:

„Alexandra Killewald, eine Soziologieprofessorin an der Universität Harvard, untersuchte 6.300 heterosexuelle Paare und entdeckte, dass wenn alle anderen Faktoren gleich sind, Ehemänner, die nicht Vollzeit arbeiteten, 33% wahrscheinlicher in den folgenden zwölf Monaten eine Scheidung erlebten als Männer, die Vollzeitjobs bekleideten. (…) Die Daten können nicht erklären, warum ein Vollzeitjob des Mannes für die Stabilität einer Ehe so wichtig ist, aber es hat nichts mit den Finanzen des Paares zu tun. Auch einkommensbereinigt haben sich die Zahlen nicht verändert.“

Dasselbe Risiko gehen Frauen nicht ein:

„Basierend auf den Erkenntnissen aus Killewalds Studie wird das Scheidungsrisiko einer Frau nicht beeinträchtigt, wenn sie sich mehr auf den beruflichen Aufstieg konzentriert. Während die Karriere einer Frau die Stabilität ihrer Ehe nicht negativ zu beeinflussen scheint, bleiben antiquierte Stereotypen über die Rolle, die Männer in der Familie spielen sollten, bestehen.“ [9]

Männern Vorwürfe zu machen, wenn sie ihre Geschlechterrolle nicht so häufig aufgeben, wie sich das viele Feministinnen wünschen, ihnen vielleicht noch eine reaktionäre Einstellung zu unterschieben, ist vor diesem Hintergrund deutlich zu kurz gegriffen.

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[1] Vgl. Schmitt, Christian: Downdaten ist tabu. Online bei Deutschlandfunk Nova seit dem 25.8.2016 unter https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/partnerwahl-downdaten-ist-fuer-frauen-tabu.

[2] Vgl. Matuschek, Milosz: Die weibliche Sehnsucht nach Unterwerfung. In: Die Welt vom 23.7.2012, online veröffentlicht unter http://www.welt.de/debatte/kommentare/article108365232/Die-weibliche-Sehnsucht-nach-Unterwerfung.html sowie Götting, Markus und Lache, Anette: Auf der Suche nach Mr. Big. In: Stern vom 22.6.2008, online veröffentlicht unter http://www.stern.de/lifestyle/leute/supersingles-auf-der-suche-nach-mr-big-624196.html.

[3] Vgl. Erdmann, Nicola: Sie will wirklich nur sein Geld. In: Die Welt vom 29.7.2014, online unter http://www.welt.de/icon/article130675859/Sie-will-wirklich-nur-sein-Geld.html.

[4] Vgl. das Interview Thomas Vitzthums mit Jutta Allmendinger: Neue Männer braucht das Land. In: Die Welt vom 12.4.2008, online veröffentlicht unter http://www.welt.de/politik/article1892971/Neue-Maenner-braucht-das-Land.html#reqNL.

[5] Vgl. http://www.kas.de/publikationen/2002/1088_dokument.html.

[6] Vgl. Schulman, Dan: No finance? No romance: income and education linked to marriage plans. In: Psychology Today vom 1.3.2003.

[7] Vgl. Appleyard, Diana: „Househusband backlash as high-flying wives ditch men they wanted to stay at home.“ In: Daily Mail vom 10. Juli 2007, online veröffentlicht unter: www.dailymail.co.uk/pages/live/femail/article.html?in_article_id=467390&in_page_id=1879

[8] Vgl. N.N.: Frauen lassen Investmentbanker einfach fallen. In: Die Welt vom 5.2.2009, online veröffentlicht unter http://www.welt.de/finanzen/article3152302/Frauen-lassen-Investmentbanker-einfach-fallen.html.

[9] Zitiert nach Garrison, Shawn: Unemployment Poses Huge Divorce Risk For Men. Online ohne Datum unter https://dadsdivorce.com/articles/unemployment-poses-huge-divorce-risk-men.