Lexikon der feministischen Irrtümer

Politisch korrekte Vorurteile und männerfeindliche Mythen auf dem Prüfstand der Wissenschaft

von Arne Hoffmann

„Frauen sind am häufigsten Opfer von Gewalt.“

DIE WAHRHEIT HINTER DEM BELIEBTEN IRRTUM:

„Die Welt ist für Männer und Frauen unterschiedlich strukturiert“, fabulierte ein Autor des Spiegel in der Ausgabe vom 30.12.2017. „Für sie ist der Weg durch den Park eine Bedrohung, für ihn die kürzeste Verbindung.“ [1] Zahllose Statements dieser Art zurren in unserem Denken den bizarren Glauben daran fest, dass die Öffentlichkeit für Frauen eine ständige Bedrohung darstellt, während Männer sich in einem Zustand der sicheren Unverletzbarkeit bewegen.

Die Behauptung, dass Frauen von Gewalttaten am meisten betroffen seien, ist in derlei  feministischen Texten erstaunlicherweise bis heute nicht totzukriegen. Die Vereinten Nationen erklärten den 25. November jeden Jahres ausdrücklich zum „Internationalen Tag für die Beseitigung jeder Form von Gewalt gegen Frauen“, es gibt eine Sonderbriefmarke „Keine Gewalt gegen Frauen“ sowie regelmäßig Flashmobs und andere politische Aktionen unter dem Motto „One Billion Rising – Nein zu Gewalt gegen Frauen“, worüber die Leitmedien breit berichten.

Woher kommt die seltsame Einschränkung „gegen Frauen“, statt generell Gewalt gegen Menschen anzuprangern? In überwiegendem Ausmaß sind die Opfer der Gewalt in unserer Gesellschaft nicht Frauen, sondern Männer. Die Polizeiliche Kriminalstatistik etwa verzeichnet für das Jahr 2018 etwas mehr als 611.000 männliche und etwas mehr als 414.000 weibliche Opfer. Im Bereich „Mord, Totschlag und Tötung auf Verlangen“ finden sich fast doppelt so viel männliche wie weibliche Opfer; kaum anders sieht es im Bereich „Körperverletzung“ aus. [2] Einer US-Statistik zufolge werden sogar sechsmal so viele Jungen zwischen 15 und 19 ermordet wie Mädchen in derselben Altersstufe. Je brutaler ein Verbrechen ist, desto eher ist das Opfer männlich. [3]

„Männer sind insgesamt deutlich häufiger Opfer von Mord und Totschlag, Raub und Körperverletzung“ urteilt der Professor für Psychologie Stephan Schleim nach einer Sichtung der Statistiken. „Frauen sind deutlich häufiger Opfer von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Letztere machen mit 0,8% jedoch nur einen Bruchteil der erfassten Straftaten insgesamt aus. So kommen beispielsweise Körperverletzungen zehnmal häufiger vor.“ [4]

Dass in erster Linie Männer Opfer von Gewaltverbrechen werden, berichten Leitmedien nicht in der notwendigen Deutlichkeit. Ein Vergleich von 1.200 Schlagzeilen der bekanntesten Zeitungen Kanadas führte zu dem Ergebnis, dass Frauen 35-mal so häufig als Opfer erschienen wie Männer. Wenn überhaupt von Gewalt gegen Männer berichtet wurde, dann üblicherweise in der Form von Statistiken. Das Schicksal von Frauen hingegen wurde am persönlichen Einzelfall dargestellt. [5] Auch die männerfreundliche Feministin Cathy Young verglich die Reaktionen auf Gewaltverbrechen verschiedener Geschlechter: Weibliche Opfer von Männern sorgten für Aufmacher in den Zeitungen, Diskussionen über Männergewalt und das Niederlegen von Kränzen mit dem Spruchband „Gott segne dich und all die anderen Frauen, die ermordet wurden“. Männliche Opfer von Frauen sind gerade eine knappe Meldung wert. [6]

„Acht von zehn Mordopfern sind Männer“ stellte Spiegel-Online 2014 immerhin mit Bezug auf eine Studie der Vereinten Nationen klar. Diese Erkenntnis ist ein Schritt nach vorne, irritierend ist dennoch eine Zwischenüberschrift des Artikels. „Für Frauen ist ihr Zuhause ein gefährlicher Ort“ heißt es dort. Warum? „Fast die Hälfte der Fälle, die von ihrem Lebenspartner oder einem Familienmitglied umgebracht wurden, waren Frauen.“ [7] Mit anderen Worten: Auch in ihrem Zuhause sind die meisten Menschen, die von ihrem Lebenspartner oder einem Familienmitglied umgebracht wurden, Männer! Ist es nicht absurd, aus dem Umstand, dass die Mehrzahl der Gewaltopfer männlich sind, eine „Frauen-sind-besonders-betroffen“-Rhetorik zu basteln?

Es ist genau dieses Ausblenden männlicher Opfer, das es Maskulisten extrem erschwert, auf die männlichen Opfer unserer Gesellschaft aufmerksam zu machen, wie es der feministischen Bewegung bei den weiblichen Opfern problemlos gelungen ist. Für Männer gehört es kaum hinterfragt zu ihrer Geschlechterrolle, statt der Frauen an die Front geschickt zu werden oder, wenn sie ihre Partnerin abends ausführen, sogar noch dafür zu bezahlen, dass sie für sie den Leibwächter spielen dürfen. Ihnen wird nicht der gleiche Anspruch auf körperliche Unversehrtheit zugebilligt wie dem weiblichen Geschlecht. Bei Frauen hingegen steigert man sich in eine Alarmstimmung, die sogar Blätter wie die New York Times erfasst: Dass Frauen am Arbeitsplatz ermordet würden, sei „üblich“ („pretty common“) hieß es dort. Das liberale Magazin Reason sah sich die Zahlen genauer an und berichtete:

„Viele, viele Menschen haben uns darauf hingewiesen, dass diese Behauptungen fast wie geschaffen wirken, um maximale Hysterie zu verursachen, indem sie beim Leser einen völlig falschen Eindruck von den Tatsachen hinterlassen. Im Jahr 2013 lag die Quote der Todesfälle am Arbeitsplatz laut dem Bureau of Labor Statistics bei 3,2 pro 100.000 Vollzeitarbeitenden. Nur 397 davon waren Morde – das bedeutet, dass etwa 0,00029 Prozent der Belegschaft während der Arbeit ermordet wurden. Klingt das nach einem Ausmaß, das man als ‚unglaublich häufig‘ bezeichnen könnte?

(…) Auch war es nicht wahrscheinlicher, dass Frauen bei der Arbeit ermordet wurden als Männer, obwohl man Ihnen verzeihen könnte, wenn Sie das aufgrund der jüngsten Berichterstattung glauben würden. 2013 waren laut Zahlen der Washington Post 341 Männer und 67 Frauen Opfer eines Mords am Arbeitsplatz. Mit anderen Worten, Männer machten 83,5 Prozent aller Arbeitsplatzmorde in diesem Jahr aus – eine überwältigende Mehrheit. (…) Tatsächlich wurden 2013 mehr Männer am Arbeitsplatz ermordet (341) als Frauen aus irgendeinem Grund überhaupt am Arbeitsplatz starben (321).“ [8]

Die Opferblindheit auf der einen Seite und der Alarmismus auf der anderen bedingen einander. Eine tatsächlich geschlechtergerechte Gesellschaft müsse als erstes damit beginnen, die Häufigkeit männlicher Opfer ernst zu nehmen, um dann mit demselben Engagement nach Abhilfe zu suchen, wie es bei Frauen geschieht.

————————————–


[1] N.N.: Der große Unterschied. In: Spiegel 1/2018, S. 104.

[2] Die Polizeiliche Kriminalstatistik des Jahres 2018 ist online einsehbar unter https://www.bka.de/DE/AktuelleInformationen/StatistikenLagebilder/PolizeilicheKriminalstatistik/PKS2018/pks2018_node.html.

[3] Vgl. Cose, Ellis: A Man’s World. How Real Is Male Privilege – and How High Is the Price? New York 1995, S. 89 und 243.

[4] Vgl. Schleim, Stephan: Wer ist hier eigentlich das typische Opfer? Online seit dem 16.5.2016 unter http://www.heise.de/tp/artikel/48/48221/1.html.

[5] Vgl. Farrell, Warren: Women Can’t Hear, What Men Don’t Say. New York 1999, S. 220.

[6] Vgl. Young, Cathy: Ceasefire! Why Women and Men Must Join Forces to Achieve True Equality. New York 1999, S. 85.

[7] Vgl. N.N.: Acht von zehn Mordopfern sind Männer. Online seit dem 10.4.2014 unter http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/uno-untersuchung-zu-toetungsdelikten-2012-a-963708.html.

[8] Vgl. Slade, Stephanie: Stop Saying Women Are More Likely Than Men to Be Murdered at Work. In: Reason vom 27.8.2015, online unter http://reason.com/blog/2015/08/27/stop-saying-women-are-more-likely-than-m.