„MeToo hat die Amerikaner für sexuelle Belästigung sensibilisiert.“
DIE WAHRHEIT HINTER DEM BELIEBTEN IRRTUM:
Die feministische MeToo-Kampagne, mit der zunächst vor allem US-amerikanische Schauspielerinnen auf sexuelle Übergriffe aufmerksam machten, wurde auch in den deutschen Medien als enormer Tabubruch gefeiert. Die Gelegenheit, ausgiebig über Sex & Crime in Hollywood berichten zu können und sich dabei sogar noch einen sozialen Anstrich zu verleihen, war so verlockend, dass man gerne ignorierte, dass der letzte angeblich enorme Tabubruch bei diesem Thema, die feministische #Aufschrei-Kampagne, erst wenige Jahre her war. Aber waren die Lobpreisungen von MeToo überhaupt berechtigt, was die Effektivität dieser Kampagne anging? Handelte es sich tatsächlich um einen Meilenstein, der die amerikanische Bevölkerung aufrüttelte, sexuelle Übergriffe auf Frauen ernster zu nehmen als bisher?
Das Gegenteil war der Fall: Die Kampagne war ein Rohrkrepierer. Sie erreichte exakt die gegenteilige Wirkung, wie die Wochenzeitung The Economist nüchtern feststellt:
„Umfragen deuten darauf hin, dass dieser einjährige Sturm von Anschuldigungen, Geständnissen und Entlassungen die Amerikaner tatsächlich skeptischer gemacht hat, was sexuelle Belästigung angeht. In der ersten Novemberwoche 2017 befragte YouGov im Auftrag von „The Economist“ 1.500 Amerikaner über ihre Einstellung zu diesem Thema. In der letzten Septemberwoche 2018 führte YouGov erneut eine ähnliche Umfrage durch.
(…) Der Anteil der amerikanischen Erwachsenen, die antworteten, dass Männer, die vor 20 Jahren Frauen bei der Arbeit sexuell belästigt haben, ihren Arbeitsplatz behalten sollten, ist von 28% auf 36% gestiegen. Der Anteil derjenigen, die glauben, dass Frauen, die sich über sexuelle Belästigung beschweren, mehr Probleme verursachen, als sie lösen, ist von 29% auf 31% gestiegen. Und 18% der Amerikaner denken jetzt, dass falsche Anschuldigungen wegen sexueller Übergriffe ein größeres Problem darstellen als Angriffe, die nicht gemeldet oder ungestraft bleiben, verglichen mit 13% im November letzten Jahres. (…) Überraschenderweise waren diese Meinungsänderungen (…) bei Frauen etwas stärker als bei Männern.“ [1]
Aber auch anderweitig hat MeToo Frauen geschadet: Laut einer Studie, die im Mai 2019 veröffentlicht wurde, berichten 60 Prozent der männlichen Manager, dass sie zu viel Angst davor hätten, der Belästigung beschuldigt zu werden, um mit Frauen in „gemeinsamen Arbeitsabläufen“ wie Mentoring, Sozialisierung und Einzelgesprächen zu interagieren.
Dies stellt gegenüber dem Jahr 2018 eine Steigerung von 32 Prozent dar. 36 Prozent dieser Männer sagen, dass sie jetzt aktiv Frauen in Junior-Positionen meiden – und damit deren Chance, die Karriereleiter zu erklimmen, effektiv reduzieren. „Die überwiegende Mehrheit der Manager und Senior Leader sind Männer“, erklärte hierzu Sheryl Sandberg, deren Institut diese Untersuchung erstellte. „Wenn sie sich nur widerwillig mit Frauen treffen, gibt es keine Möglichkeit, dass Frauen eine gleichwertige Chance haben, sich zu beweisen.“ Leider aber zögern Männer in höheren Positionen nach MeToo neunmal mehr, mit einer Frau zu reisen und sechsmal mehr, ein Arbeitsessen mit ihr zu haben. Sie zögerten gegenüber einer jungen Mitarbeiterin auch zwölf mal mehr, sich zu einem Gespräch unter vier Augen zu treffen. Diese Gespräche finden statt mit Frauen jetzt verstärkt mit jungen Männern statt. [2]
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[1] Vgl. N.N.: After a year of #MeToo, American opinion has shifted against victims. In: The Economist vom 15.10.2018, online unter https://www.economist.com/graphic-detail/2018/10/15/after-a-year-of-metoo-american-opinion-has-shifted-against-victims.
[2] Vgl. Bailey-Millado, Rob: Men are afraid to mentor women after #MeToo and it hurts us all: study. In: New York Post vom 17.5.2019, online unter https://nypost.com/2019/05/17/men-are-afraid-to-mentor-women-after-metoo-and-it-hurts-us-all-study sowie Peck, Emily: Me Too Backlash Is Getting Worse. In: Huffington Post vom 17.5.2019, online unter https://www.huffpost.com/entry/me-too-backlash-getting-worse_n_5cddd96de4b00e035b8ce786.