Lexikon der feministischen Irrtümer

Politisch korrekte Vorurteile und männerfeindliche Mythen auf dem Prüfstand der Wissenschaft

von Arne Hoffmann

„Mikroaggressionen schaden Frauen.“

DIE WAHRHEIT HINTER DEM BELIEBTEN IRRTUM:

Im Mai 2016 bezeichnete Stephan Schleim auf Telepolis Mikroaggressionen als den „neuesten Trend der Sexismusdebatte“. Hauptverantwortliche dafür ist die Biologieprofessorin Tricia Serio von der University of Arizona. Sie stellte den subtilen Sexismus, der in Mikroaggressionen enthalten sei, als größte Bedrohung für die Diversität in der Wissenschaft dar. Es sei unentschuldbar, dass es bisher noch keine Forschung dazu gebe, ob diese Mikroaggressionen Frauen aus der Wissenschaft trieben. [1]

Aufgrund dieser Kritik an solchen vielfach kaum wahrnehmbaren, aber trotzdem angeblich traumatisierenden Auslösern versucht man derzeit, alles unter Kontrolle zu bringen, was Frauen und andere gesellschaftliche Minderheiten in irgendeiner Form emotional verletzen könnte. Manche sehen hier inzwischen eine Sprachpolizei am Werk. [2] In einem Artikel der Zeit heißt es hierzu:

„Für sogenannte microaggressions, die gar nicht böse gemeint sein müssen, werden Studenten und Professoren auf Facebook und Twitter angefeindet. Was als ‚Mikroaggression‘ gilt, ist dabei so vage definiert, dass es vorgebliche Opfer geradezu ermuntert, sich über Lappalien zu echauffieren. So forderte die Präsidentin der University of California Professoren in einem offenen Brief auf, den Gebrauch von Mikroaggressionen zu vermeiden. Ein gut gemeintes Anliegen – doch die Beispiele für die verbotenen Sätze schränken die Meinungsfreiheit des Lehrkörpers eindeutig ein. Denn laut Uni-Verwaltung sind Sätze wie ‚Amerika ist das Land der unbegrenzten Möglichkeiten‘ oder ‚Ich finde, der qualifizierteste Bewerber sollte den Job erhalten‘ nun tabu. Sie würden den ‚Mythos der Meritokratie‘ befördern und so tun, ‚als spielten Rasse oder Gender keine Rolle‘.“ [3]

Aber ist das Konzept der Mikroaggressionen mit ihren angeblich so schädlichen Auswirkungen überhaupt wissenschaftlich gut begründet? Nein, befindet der Psychologieprofessor Scott O. Lilienfeld in einem Anfang 2017 veröffentlichten Beitrag für das Fachmagazin Perspectives on Psychological Science. Zwar habe dieses Konzept „die öffentliche Diskussion angeregt“ und sich bereits „auf zahlreiche Hochschulen und Unternehmen ausgeweitet“. Für seine Kernannahmen jedoch – etwa dass solche Mikroaggressionen von den meisten oder allen Minderheitengruppenmitgliedern negativ interpretiert werden und dass ihnen vorurteilsbeladene und aggressive Motive unterliegen – finde sich in der Forschungsliteratur kaum die nötige Unterstützung. Deshalb solle man auf die Verwendung dieses Begriffs, auf Trainingsprogramme gegen Mikroaggressionen sowie auf öffentlich verbreitete Listen mit Mikroaggressionen besser verzichten. [4]

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[1] Vgl. Schleim, Stephan: Weg mit den Mikroaggressionen. Online seit dem 5.5.2016 unter https://www.heise.de/tp/features/Weg-mit-den-Mikroaggressionen-3211191.html.

[2] Vgl. Kilian, Martin: Jetzt kommt die Sprachpolizei. In: Tages-Anzeiger vom 19.8.2015, online unter https://www.tagesanzeiger.ch/ausland/amerika/Die-neue-politische-Korrektheit-in-den-USA/story/22631883.

[3] Vgl. N.N.: Die Debatten-Polizei. In: Die Zeit vom 28.1.2016, online unter http://www.zeit.de/2016/03/diskriminierung-universitaeten-usa-kulturelle-aneignung-minderheiten-studenten-protest.

[4] Vgl. Lilienfeld, Scott: Microaggressions. Strong Claims, Inadequate Evidence. In: Perspectives on Psychological Science, Volume: 12 issue: 1, S. 138-169. Online seit dem 11.1.2017 unter http://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/1745691616659391. Siehe dazu auch Nagai, Althea: The Pseudo-Science of Microaggressions. In: Academic Questions Volume 30, Nr. 1, Frühling 2017. Online seit dem 29.3.2017 unter https://www.nas.org/articles/the_pseudo_science_of_microaggressions.