Lexikon der feministischen Irrtümer

Politisch korrekte Vorurteile und männerfeindliche Mythen auf dem Prüfstand der Wissenschaft

von Arne Hoffmann

„Sextourismus ist Männersache.“

DIE WAHRHEIT HINTER DEM BELIEBTEN IRRTUM:

„Beim heutigen Sex-Tourismus geht es nicht mehr nur darum, dass ältere Männer aus westlichen Ländern auf der Suche nach jungen Mädchen in Asien sind“, berichtet Theo Noten von der Kinderschutzorganisation Defense Children-Epcat, die weltweit gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern kämpft. „Immer mehr westliche Frauen machen das Gleiche in Afrika. Es kommt auch immer häufiger vor, dass diese Frauen das Bett mit Minderjährigen teilen. Das ist ein neuer Trend.“ [1]

Einer Studie aus dem Jahr 2008 zufolge begannen Frauen bereits in den sechziger Jahren den Sextourismus als Kundinnen zu entdecken. [2] Beliebte Sex-Ziele für reifere und meist gutbetuchte Damen sind außer der Karibik die afrikanischen Staaten Gambia, Ghana, Südafrika und Kenia. [3] Besonders problematisch ist der weibliche Sextourismus dort, weil die Besucherinnen die Verwendung von Kondomen gerne vermeiden, da sie ihnen zu „geschäftsmäßig“ sind. [4] Infolgedessen wird die Verbreitung von HIV und AIDS auch auf diese Weise gefördert.

Das hat oft schlimme Folgen für die afrikanische Bevölkerung. Aber einige negative Folgen des weiblichen Sextourismus bekommen in jüngster Zeit auch die Frauen in Europa zu spüren. Der weibliche Sex-Tourismus in Nordafrika nämlich ist einer von mehreren Faktoren für die Übergriffe nordafrikanischer Flüchtlinge in Deutschland und Österreich, erklärt die Nahost-Expertin Karin Kneiss. Auch durch diese Praktik würde bei den jungen Männern in diesen Ländern ein „miserables Bild“ der europäischen Frauen entstehen, das die Hemmschwelle zu Sex-Attacken sinken lasse. [5]

Wenn es um weibliche Sextouristen geht, gibt es allerdings eine Besonderheit: Anders als Männer machen sie sich häufig selbst vor, dass sie eigentlich keinen Sex kaufen, sondern sich in einer Liebesbeziehung mit den männlichen Prostituierten befinden. Sobald diese Illusion zerplatzt, fühlen sich die Sextouristinnen als bösartig getäuschte Opfer. Der Mechanismus, die Männer weiterhin als die bösartig Schuldigen erscheinen, wenn Frauen und Männer die Rollen tauschen, zeigt sich auch hier. Und das nicht nur bei den Frauen selbst, sondern auch in Artikeln, die über sie geschrieben werden und in denen sich Sätze finden, die in Artikeln über männliche Sextouristen nicht vorkommen – etwa Sätze wie diese:

„Viele Frauen verstricken sich in dieser Phantasie und erfahren Schmerzen, Verwirrung und Wut, wenn sie merken, dass sie nur benutzt wurden.“

„Meistens sind sich die Frauen jedoch bewusst, dass beide sich gegenseitig benutzen. Einer für die Gesellschaft und der andere für wirtschaftliche Sicherheit.“ [6]

Selbst bei der Begriffsbildung wird hier zwischen den Geschlechtern getrennt: Was man bei Männern als „Sextourismus“ bezeichnet, heißt bei Frauen häufig „Liebestourismus“ („romance tourism“). Dabei ist sich die Fachliteratur einig, dass diese Trennung künstlich ist. Ein Fachaufsatz über „Liebestourismus“ fasst die Erkenntnisse verschiedener Forscher zusammen:

„In der neuesten Forschung ist die Unterscheidung zwischen Sextourismus und Liebestourismus zusammengebrochen. Kempadoo weist darauf hin, dass sowohl männliche als auch weibliche Sexarbeiterinnen ihre Tätigkeit gerne romantisieren – beide schaffen eine Atmosphäre von Freundschaft, Romantik und mehrdeutigen Beziehungen. Kempadoo argumentiert, dass karibische Frauen wie Männer versuchen, eine Liebesbeziehung aufzubauen, die ihnen eine gewisse ökonomische Sicherheit oder eine Flucht aus elender Armut verschafft. Jacqueline Sanchez-Taylor stellt fest, dass die sexuell-wirtschaftlichen Beziehungen, die weibliche Touristen mit einheimischen Männern haben, auf denselben globalen wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten beruhen, die dem männlichen Sextourismus zugrunde liegen. Amalia Cabezas betont, dass die Elemente, die am sogenannten Sextourismus beteiligt sind, ebenfalls mehrdeutig sein können und über das Raster von Opfer und Unterdrücker hinausgehen.“ [7]

„Männlicher Sextourismus wird seit Langem als ausbeuterisches Verhalten angesehen“, berichtet der simbabwische Journalist Tatenda Gwaambuka, „aber irgendwie ändert sich die Geschichte, wenn es um die weibliche Version desselben Geschäftes geht. Die Damen verwischen ihre Spuren, indem sie behaupten, sie kaufen keinen Sex, sondern helfen den jungen Männern finanziell aus.“ Beispielhaft zitiert er eine Sextouristin, die von der Nachrichtenagentur Reuter interviewt worden war und die Dinge so darstellte: „Es ist ein soziales Arrangement. Ich kaufe ihm ein schönes Hemd und wir gehen essen. Solange er bei mir bleibt, zahlt er für nichts und ich für das, was ich will – eine gute Zeit.“

Gwaambuka wendet sich gegen den Versuch, die Ausbeutung „mit Zuckerguss zu überziehen“, und stellt klar: „Diese Frauen kommen nach Afrika, um Sex zu kaufen, und in dem Moment, in dem sie es tun, beteiligen sie sich an der Prostitution. Weiblicher Sextourismus ist Ausdruck rassischer und wirtschaftlicher Dominanz – eine Rückkehr zur kolonialen Vergangenheit, in der weiße Frauen von schwarzen Lakaien bedient und verhätschelt wurden. Es ist nicht die Liebe, nach der sie suchen, sie sind hier für den Sex und die Herrschaft.“ Woraufhin er eine weitere Sextouristin zitiert, die ihre Einstellung gegenüber ihrem Lover klar kund, obwohl sie den Prostitutionsaspekt ihrer Beziehung abgestritten hatte: „Wenn er keine Leistung bringt, bekommt er nichts zu essen. Ende der Geschichte.“ [8]

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[1] Vgl. Hetzel, Helmut: Immer mehr Sex-Tourismus bei älteren Frauen. In: Der Westen vom 21.8.2009, online unter https://www.derwesten.de/reise/immer-mehr-sex-tourismus-bei-aelteren-frauen-id132728.html.

[2] Vgl. Phillips, Joan: Female sex tourism in Barbados: a postcolonial perspective. In:

Brown Journal of World Affairs XIV (2), 2008, S. 201–210.

[3] Vgl. Hetzel, Helmut: Immer mehr Sex-Tourismus bei älteren Frauen. In: Der Westen vom 21.8.2009, online unter https://www.derwesten.de/reise/immer-mehr-sex-tourismus-bei-aelteren-frauen-id132728.html.

[4] Vgl. Gwaambuka, Tatenda: Served, Serviced and Pampered: How Female Sex Tourists are Exploiting African Men. Online seit dem 20. Juli 2016 unter https://www.africanexponent.com/post/7580-how-female-sex-tourists-are-exploiting-african-men.

[5] Vgl. N.N.: „Nordafrikaner haben miserables Bild von Frauen“. Online seit dem 26.1.2016 unter http://www.nachrichten.at/oberoesterreich/Nordafrikaner-haben-miserables-Bild-von-Frauen;art4,2096026.

[6] Vgl. Jacobs, Harrison: Wealthy Older Women Are Hiring Men In Kenya To Romance Them. Online seit dem 21.10.2014 unter http://www.businessinsider.com/wealthy-older-women-are-hiring-men-in-kenya-to-romance-them-2014-10?IR=T.

[7] Vgl. Williams, Erica: Romance Tourism. In: Ritzer, George (Hrsg.): The Wiley-Blackwell Encyclopedia of Globalization. Blackwell Publishing 2012. Online unter https://www.academia.edu/1640168/Romance_Tourism.

[8] Vgl. Gwaambuka, Tatenda: Served, Serviced and Pampered: How Female Sex Tourists are Exploiting African Men. Online seit dem 20. Juli 2016 unter https://www.africanexponent.com/post/7580-how-female-sex-tourists-are-exploiting-african-men.