Lexikon der feministischen Irrtümer

Politisch korrekte Vorurteile und männerfeindliche Mythen auf dem Prüfstand der Wissenschaft

von Arne Hoffmann

„Triggerwarnungen schützen empfindliche Gemüter.“

DIE WAHRHEIT HINTER DEM BELIEBTEN IRRTUM:

Politische Aktivisten unterschiedlicher Couleur, darunter viele Feministinnen, setzen sich dafür ein, dass Texten, die auf ihre Leser verstörend wirken könnten, sogenannte „Triggerwarnungen“ vorgeschaltet werden, damit man sich emotional darauf vorbereiten kann. Darüber, wie sinnvoll solche Warnungen sind, gab es jahrelang hitzige Debatten, bevor echte wissenschaftliche Erkenntnisse dazu vorlagen. Das änderte sich im Jahr 2018 mit einer Studie, die Psychologen um Benjamin Bellet von der Harvard University im Fachmagazin Journal of Behavior Therapy and Experimental Psychiatry veröffentlichten. Die Forscher ließen ihre Versuchspersonen Passagen aus Texten lesen, in denen teilweise blutige Schilderungen auftauchten. Erhielten die Teilnehmer zuvor eine Warnung, sie würden gleich mit „verstörenden Inhalten“ konfrontiert, „die Angstzustände auslösen könnten“, reduzierte dies die Anspannung der Leser nicht. Im Gegenteil: Bei manchen von ihnen wirkte das sogar wie eine selbsterfüllende Prophezeiung. Sie reagierten emotional nur umso stärker. [1]

Im Jahr 2019 untersuchte das Team um den Psychologen Payton Jones an der Universität Harvard die Wirkungen von Triggerwarnungen auf Menschen, die ein Trauma überstanden hatten, und fand ebenfalls keine Hinweise darauf, dass diese Warnungen für solche Menschen hilfreich sind, wohl aber „substanzielle Hinweise darauf, dass Triggerwarnungen Therapien entgegenwirken, indem sie bei den Betroffenen den Eindruck verstärken, dass ihr Trauma ein zentraler Teil ihrer Identität sei. Weil Triggerwarnungen durchgehend nicht hilfreich sind, gibt es keinen Grund, sie zu benutzen.“ [2] Allenfalls mag man sich mit ihrer Verwendung als politisch besonders korrekt inszenieren und einen Grund dafür finden, den Umgang mit schwierigen und herausfordernden Texten zu vermeiden.

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[1] Vgl. Bellet, Benjamin und andere: Trigger warning: Empirical evidence ahead. In: Journal of Behavior Therapy and Experimental Psychiatry, Volume 61, Dezember 2018, Seiten 134-141, online unter https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0005791618301137; Paresky, Pamela: Harvard Study: Trigger Warnings Might Coddle the Mind. In: Psychology Today vom 3.8.2018, online unter https://www.psychologytoday.com/intl/blog/happiness-and-the-pursuit-leadership/201808/harvard-study-trigger-warnings-might-coddle-the; Dolan, Eric: Study finds evidence that ‘trigger warnings’ can be psychologically harmful, online seit dem 19.8.2018 unter https://www.psypost.org/2018/08/study-finds-evidence-that-trigger-warnings-can-be-psychologically-harmful-52007; Herrmann, Sebastian: Vorsicht, Dostojewski. In: Süddeutsche Zeitung vom 4.8.2018, online unter https://www.sueddeutsche.de/bildung/psychologie-vorsicht-dostojewski-1.4075728.

[2] Vgl. Jones, Payton und andere: Helping or Harming? The Effect of Trigger Warnings on Individuals with Trauma Histories. OSF Preprints. July 10. doi:10.31219/osf.io/axn6z.