Lexikon der feministischen Irrtümer

Politisch korrekte Vorurteile und männerfeindliche Mythen auf dem Prüfstand der Wissenschaft

von Arne Hoffmann

„Männerrechtler sind frauenfeindlich und reaktionär.“

DIE WAHRHEIT HINTER DEM BELIEBTEN IRRTUM:

Seit in den verschiedensten Ländern dieser Welt eine Männerrechtsbewegung (Maskulismus) entsteht, werden die Menschen, die sich für die sozialen Anliegen von Jungen und Männern einsetzen, als frauenfeindlich und politisch rechts stehend verunglimpft. Jemandem, der beispielsweise auf die hohe Rate von Opfern häuslicher Gewalt unter Männern aufmerksam macht, wird mit dieser Rhetorik unterstellt, ein reaktionäres Comeback der althergebrachten Geschlechterverhältnisse zu wünschen oder Frauen abgrundtief zu hassen. Einen anderen Grund kann es aus der Sicht von Menschen, die so argumentieren, nicht dafür geben, wenn sich Menschen auch gegen die sozialen Notlagen von Männern engagieren. In der Berliner „taz“ etwa reiht Lalon Sander in seiner Kolumne über „dumme weiße Männer“ Männerrechtler mit Verschwörungstheoretikern, Klimawandelleugnern und Onlinetrollen bei jenen Menschen ein, die „Sand im Getriebe des Fortschritts der Welt“ seien. [1]

Einer wissenschaftlichen Überprüfung halten derlei Gehässigkeiten nicht stand. So veröffentlichte am 5. März 2015 die internationale Experten-Vereinigung Club of Vienna die von dem Politikwissenschaftler Johannes Meiners und der Wirtschaftspsychologin Christine Bauer-Jelinek erstellte Studie Die Teilhabe von Frauen und Männern am Geschlechterdiskurs und an der Neugestaltung der Geschlechterrollen – Entstehung und Einfluss von Feminismus und Maskulismus, die die beiden sozialen Bewegungen erstmals wissenschaftlich miteinander vergleicht.

Im Kapitel über Maskulismus gelangt die Untersuchung zu folgendem Ergebnis:

„Maskulistisch zu sein, bedeutet (…) wesensimmanent, sich antisexistisch zu orientieren und jede Form der Diskriminierung und Herabsetzung aus geschlechtlich-sexuellen Gründen zu bekämpfen. VertreterInnen des Maskulismus sind bestrebt, die mittlerweile beengende Konzentration des Feminismus auf die Belange der Frauen zu beenden und das Geschlechterverhältnis zu einem neuen Gefüge zu erweitern.

(…) Die Einstellung des Maskulismus zum Feminismus bedarf somit einer differenzierten Betrachtung: MaskulistInnen ziehen wesentliche Erfolge der Frauenbewegungen – wie das Wahlrecht, das Recht auf Bildung und Erwerbstätigkeit oder die Gleichberechtigung in der Familie – keineswegs in Zweifel, auch weil diese Errungenschaften ihren eigenen Grundwerten entsprechen. Für MaskulistInnen ist es zweitrangig, durch welche Geisteshaltungen Diskriminierungen von Männern entstehen oder ausgeübt werden. Das Ziel ist vielmehr deren Beseitigung.“

In ihrem Resümee dieses Kapitels befindet die Studie:

„Der Maskulismus hat hohe gesellschaftspolitische Ansprüche und ist KEINESWEGS mit dem Begriff Frauenfeindlichkeit zu synonymisieren. Feindschaft gegenüber dem anderen Geschlecht spielt bewegungsintern für die Arbeit der überwältigenden Mehrheit maskulistischer Aktivisten keine Rolle. (…) Weltanschaulich besteht bei den Männerrechtlern große Vielfalt: So engagieren sich VertreterInnen nahezu aller politischen Grundhaltungen von sozialistisch über linksliberal und bürgerlich bis hin zu dezidiert konservativ oder gar rechtsaußen.

(…) Im Wesentlichen gilt das weltanschauungsübergreifende Interesse der Männerbewegten dem Einsatz für eine neue Perspektive auf das Geschlechterverhältnis, welche Männer ebenfalls mit Empathie bedenkt und ihre geschlechtsspezifischen Bedürfnisse in die Überlegungen einschließt. Aus Sicht der meisten Aktivisten bedarf es hierfür einer wesentlich stärkeren Fokussierung auf die Bedürfnisse deklassierter Menschen einer Gesellschaft (Obdachlose, Strafgefangene, Langzeitarbeitslose, Suchtkranke, Vereinsamte), die fast überall und in der Mehrzahl Männer sind. Dazu müsste die Erforschung männlicher Lebenslagen aus der Dominanz des feministischen Paradigmas und der arithmetischen Gleichstellungsorientierung gelöst sowie in größerem Ausmaß finanziert werden. Daraus resultierende Ergebnisse sollten zu eigenständigen Empfehlungen an die Politik genutzt werden, die alle Maßnahmen in unterschiedlichen Lebensbereichen nicht nur für Frauen evaluieren dürfte, sondern der ursprünglichen Intention des Konzepts von Gender-Mainstreaming folgend für beide Geschlechter.“ [2]

Warum hält sich eine herabsetzende Darstellung von Männerrechtlern als hasserfüllten Unholden dennoch derart hartnäckig? Damit beschäftigt sich der Beitrag „Was uns die Medien über die Männerrechtsbewegung verschweigen“, verfasst von Katrina Haffner, Anthropologin an der Western Washington University. Darin heißt es:

„Vielleicht, weil ich eine Feministin bin, denken Sie, dass ich nur schlechte Dinge über Männerrechtsaktivisten sagen könnte. Sicher, für eine Weile las und hörte ich nur über abscheuliche Behauptungen, die bestimmte Männerrechtler über Frauen, Farbige und so weiter sagten. Dann begann ich, einige Männerrechtler im wahren Leben kennenzulernen, hörte einem prominenten Redner zu und untersuchte einige der Argumente, die sie über Männerfragen vorgebracht hatten.

Etwas, das ich beobachtet habe und das viele Männerrechtler beklagen, ist, dass sie oft von der Konversation ausgeschlossen werden. Vom Hochschulcampus bis hin zu den Mainstream-Medien werden sie selten nach ihrer Meinung zum Thema gefragt. Stattdessen konzentrieren sich Rundfunkanstalten und Journalisten auf die Ansichten der Gegenseite sowie auf problematische (oft fehlinterpretierte) Äußerungen in der Männerrechtsbewegung.“ [3]

Im Jahr 2016 veröffentlichte die zunächst ebenfalls feministische Filmemacherin Cassie Jaye die Dokumentation „The Red Pill“ über die Männerechtsbewegung. Auch hier gelangte Jaye im Verlauf ihrer sehr gründlichen Recherche zu dem Fazit, dass die Männerrechtler und ihre tatsächlichen Ansichten mit deren öffentlicher Dämonisierung nicht in Übereinstimmung zu bringen waren. Sie überprüfte zahlreiche Behauptungen der Männerrechtler und stellte fest, dass diese zutreffend waren, auch wenn sie in den Leitmedien selten bis gar nicht vorkamen. Darüber hinaus zeigte sich, dass die interviewten Männerrechtler keine Fanatiker waren, sondern lediglich dafür plädierten, dass die Geschlechterdebatte beiden Seiten gerecht werden solle. Die interviewten Feministinnen hingegen taten die Anliegen der Männerechtler in Bausch und Bogen ab und vertraten die Auffassung, dass man diese Menschen auf keinen Fall zu Wort kommen lassen sollte. Aufgrund dieses verachtungsvollen Desinteresses wandte Jaye sich schließlich vom Feminismus ab.

Aufschlussreich ist hier auch eine Rede, die Cassie Jaye unter dem Titel „Meeting the Enemy. Coming to Terms With the Men’s Rights Movement“ über die Entstehung ihres Filmes hielt. [4] Jaye schildert darin, mit welchen immensen Vorurteilen sie ihre ersten Interviews mit Männerrechtlern geführt habe, weil diese in den Medien so nachdrücklich als Frauenfeinde diffamiert worden waren. Als sie jetzt den Männerrechtlern zuhörte, habe sie regelmäßig auf entsprechende Herabsetzungen erwartet und konstant erwartet, kontra geben zu müssen. Da sie aber wusste, wie wichtig es für professionelle Interviews sei, den Redefluss des Befragten nie zu unterbrechen, habe sie lange Zeit einfach nur zugehört. Beim Verschriftlichen dieser Statements habe sie sich automatisch noch intensiver damit auseinandergesetzt, so dass sie schließlich feststellen musste, dass die angeblich so virulente Frauenfeindlichkeit durchgehend fehlte. So habe sie gelernt, Männerrechtler immer weniger als Feind und immer mehr als Menschen wahrzunehmen.

„Man hat mir erzählt, sie wären gegen die Gleichberechtigung von Frauen. Aber alle Männerrechtler, die ich getroffen habe, unterstützen Frauenrechte. Sie fragen nur: Warum schert sich unsere Gesellschaft nicht um die Rechte von Männern?“

Jaye berichtet weiter:

„Die größte Herausforderung, die sich mir stellte, war, die Schichten meiner eigenen Vorurteile abzutragen. Wie sich herausstellte, hatte ich meinen Feind getroffen. Es war mein Ego, das mir sagte, dass ich Recht hatte und diese Leute Untermenschen waren. (…) Wenn wir Geschlechtergerechtigkeit ernsthaft diskutieren wollen, müssen wir alle Stimmen an den Tisch einladen. Aber das ist nicht das, was passiert. Männergruppen werden kontinuierlich verunglimpft, als Hassgruppen verleumdet, und ihre Stimmen werden systematisch zum Schweigen gebracht. Glaube ich, dass eine der beiden Bewegungen sämtliche Antworten hat? Nein. Männerrechtler sind nicht ohne Fehler. Feministinnen auch nicht. Aber wenn eine Gruppe zum Schweigen gebracht wird, ist das ein Problem für uns alle. Wenn ich irgendjemandem in unserer Gesellschaft einen Ratschlag geben darf: Wir müssen aufhören zu erwarten, dass wir beleidigt werden. Und wir müssen beginnen, wahrhaftig, offen und ernsthaft zuzuhören. Das wird dazu führen, dass wir ein größeres Verständnis für uns selbst und andere entwickeln, mehr Mitgefühl füreinander und dass wir zusammen an Lösungen arbeiten.“

In einem 2019 online gestellten, fast dreieinhalbstündigen Video-Interview berichtet Cassie Jaye:

„Ich hätte mir mehr Mühe geben können, online anonyme Trolle zu finden um dann zu behaupten, dass sie Männerrechtler wären und all die sehr vernünftigen Interviews wegzuwerfen, die ich mit Männerrechtlern über ihre Anliegen geführt habe. Ich hätte die gruseligsten Kerle finden und sie mit kreativem Schnitt und trutschiger Musik auf bestimmte Weise aussehen lassen können. Aber es dauerte dreieinhalb Jahre, um den Film zu machen, und wenn man mit seinem Videomaterial und allem, was man gelernt hat, dasitzt und Fakten überprüft und wirklich herausfindet, was Männerrechtler zu sagen versuchen … Sobald man all diese Arbeit macht und die Wahrheit sucht, ab da gab es keine Möglichkeit, dass ich die Frauenfeindliche-Schweine-Dokumentation machen konnte, die wahrscheinlich bei vielen hochkarätigen Filmfestivals gelandet und auf großen Plattformen geteilt worden wäre.“

Zwar habe sie aus ihrer feministischen Haltung heraus die Ansichten der Männerrechtler zunächst dahingehend zusammenfassen wollen, dass diese Aktivisten Frauen für minderwertig hielten oder glaubten, dass sie keine Geschäftsführer sein können, sondern nur als Mütter und Hausfrauen gut seien. Aber das war in keiner Weise das, was die befragten Männerrechtler tatsächlich sagten:

„Ich denke also, das ist ein großes Missverständnis, das von den Medien lanciert wurde, um die Leute dazu zu bringen, vor Männerrechtlern Angst zu haben. Einige von ihnen begannen sogar als Feministinnen und wurden dann zu Männerrechtlern, weil sie die Notwendigkeit dieser Diskussion sahen und nicht sahen, dass sie im Feminismus stattfinden würde. Ich denke, dass die Männerrechtsbewegung und alles, was der feministischen Erzählung widerspricht, so schnell abgeschrieben oder angegriffen wird, weil sie so differenziert ist, dass sie kein Tweet sein kann, kein Mem und keine Statistik ohne Beleg. Eine große Online-Publikation, die einen früheren Film von mir unterstützte, teilte mir mit, sie würde auf meinen neuen Film hinweisen, wenn er zeigen würde, dass Männerrechtler gewalttätig sind, aber wenn er das nicht zeigt, würde man das eben lassen.“ [5]

Unglücklicherweise gibt es etliche Publizisten, die nicht über die Integrität Cassie Jayes verfügen und die sich über ihren Rufmord an Männerrechtlern feiern und gut bezahlen lassen. Aber es gibt auch immer mehr Menschen, denen Jayes Dokumentation geholfen hat, dieses Feindbild bei sich selbst abzubauen – bis hin zu Feministinnen. Zu diesen Feministinnen gehören Dianne Bondy und Alicia Higginson, die in ihrem Podcast „Men’s Rights and Feminism“ berichten, was Jayes Film bei ihnen ausgelöst hat. [6]

Sie schildern, wie sie der Film zuerst so wütend machte, dass sie nach zehn Minuten das Sehen abbrachen, weil sie sich nicht diesem „Haufen Jammerlappen“ aussetzen wollten: weißen Männern, die darüber klagen, wie schlecht es ihnen gehe. Dann fragten sich die beiden Feministinnen allerdings, was es über sie aussagt, dass sie so heftig darauf reagieren, wenn Männer über ihre Erfahrungen, ihre Sicht der Dinge und über ihre Gefühle berichten. Womit möchte man als Frau derart ungern konfrontiert werden? Darauf sahen Bondy und Higginson den Film doch, erfuhren mehr über die Anliegen der Männerrechtler, ihr ruhiges und sachliches Auftreten und wie hasserfüllt ihre Gegner darauf reagierten. Dabei machen die beiden Feministinnen erkennbar eine starke emotionale Erfahrung durch.

Beispielsweise ist ihnen das Verhalten der in dem Film gezeigten Feministinnen todpeinlich. Bondy und Higginson können es nicht länger vermeiden, sich und ihre Einstellung selbstkritisch zu hinterfragen. Sie stellen entsetzt fest, dass das Leben von Jungen in unserer Gesellschaft weniger zählt als das von Mädchen und müssen erkennen, dass sie „Komplizinnen“ dieses menschenverachtenden Systems waren – einfach weil sie nicht besser Bescheid wussten und es versäumt haben, sich gründlich zu informieren. Eine der beiden hatte nach dem Film sogar ihren Mann um Verzeihung gebeten, weil sie begriffen hat, dass sie als Feministin ihn im Stich gelassen hat.

Insofern war dieser Film für die beiden Frauen ein intensives Lernerlebnis. Aber das zeigt auch, warum Cassie Jayes Dokumentation und die Männerrechtsbewegung massiv angefeindet werden: weil es eben extrem unangenehm und emotional herausfordernd ist, sich selbst und sein bisheriges Verhalten derart infrage zu stellen. Für viele andere Feministinnen war es offenkundig leichter, einen Boykott gegen „The Red Pill“ zu organisieren.

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[1] Vgl. Sander, Lalon: Das Jahr des weißen Mannes. In: tageszeitung vom 5.1.2016, online unter http://www.taz.de/Kolumne-Dumme-weisse-Maenner/!5266052.

[2] Die Langfassung der Studie steht online unter http://www.clubofvienna.org/assets/Uploads/PK-Meiners-2.pdf, eine Kurzfassung unter  http://www.clubofvienna.org/assets/Uploads/PK-Meiners-Kurzfassung-2.pdf.

[3] Vgl. Haffner, Katharina: What The Media Fails To Tell Us About The Men’s Rights Movement. Online seit dem 28.12.2015 unter http://theodysseyonline.com/wwu/is-the-media-fair-towards-mras/240603.

[4] Eine Aufzeichnung der Rede, die Jaye auf dem TEDx-Panel hielt, steht online unter https://www.youtube.com/watch?v=3WMuzhQXJoY.

[5] Vgl. zu den letzten beiden Zitaten Cassie Jayes ihr Interview mit Michele Carroll in der Reihe „Exploring Minds“, online unter https://www.youtube.com/watch?v=KQ44TjFiuqY.

[6] Vgl. Bondy, Dianne und Higginson, Alicia: Men’s Rights and Feminism. Online ohne Datum unter https://podcasts.apple.com/us/podcast/13-mens-rights-and-feminism/id1305361627?i=1000417064825.