Lexikon der feministischen Irrtümer

Politisch korrekte Vorurteile und männerfeindliche Mythen auf dem Prüfstand der Wissenschaft

von Arne Hoffmann

„Das männliche Geschlecht ist besonders kriegsgeil.“

DIE WAHRHEIT HINTER DEM BELIEBTEN IRRTUM:

Wenn Frauen statt Männern herrschen würden, wäre die Welt ganz bestimmt um einiges friedlicher – diese sexistische Vorstellung spukt seit langer Zeit in etlichen Köpfen herum.

„Frauen sind nicht nach Vietnam gegangen und haben dort keine Städte und Dörfer in die Luft gesprengt“, erklärte Jodie Foster einmal. „Sie sind keine Rambos.“ Noch besser bringt der Titel eines von Alice Schwarzers Büchern diese Einstellung auf den Punkt: „Krieg. Was Männerwahn anrichtet und wie Frauen Widerstand leisten“. Sexistischer und zugleich populistischer geht es kaum.

Dabei hält sich dieses Vorurteil wohl auch deshalb so hartnäckig, weil es mit dem ersten Augenschein übereinstimmt. Schließlich sind sowohl die Scharen von Soldaten als auch die Herrschenden, die einem anderen Staat den Krieg erklären, mehrheitlich Männer. Aber auch hier zeigt sich, wie sehr der Schein trügt.

So weist der amerikanische Geschlechterforscher Warren Farrell Jodie Foster fast schon erstaunlich höflich darauf hin, dass sie, statt sexistische Sprüche zu reißen, Gott dem Herrn besser dreimal täglich auf Knien danken sollte, dass sie in einer Gesellschaft lebt, in der nur das männliche Geschlecht als Kanonenfutter benutzt wird: „Muhammad Alis Weigerung, sich am Vietnamkrieg zu beteiligen, weil er ihn für ein Verbrechen ansah, brachte ihn auf dem Gipfel seiner Karriere ins Gefängnis und stahl ihm unwiederbringliche vier Jahre seiner Lebenszeit. Zur selben Zeit befand sich Jodie Foster ungefährdet im eigenen Zuhause, wurde reich und berühmt und verdiente Geld mit ihrem Sex-Appeal. Was hätte Jodie Foster gesagt, wenn ein sexistisches Gesetz sie im Alter zwischen vierundzwanzig und siebenundzwanzig ins Gefängnis gebracht hätte?“ [1]

So führt Sexismus der ersten Ordnung (Männer müssen zur Front, Frauen nicht) zu Sexismus der zweiten Ordnung, indem sich Männer deshalb auch noch Vorwürfe wegen ihrer „Kriegsgeilheit“ anhören müssen. Es ist der männliche Wunsch, Frauen zu beschützen, der es dem weiblichen Geschlecht ermöglicht, sich aus Kampfhandlungen herauszuhalten und stattdessen empört mit dem Finger auf die Soldaten zu zeigen. „Ich habe einen ganzen Haufen GIs hin- und hertransportiert, die im Nahkampf zur Hölle gebombt wurden“, erklärt ein Sergeant des US-Militärs. „Ich würde das nicht mit Frauen tun wollen.“ [2]

Diese Rollenverteilung wird auch vom weiblichen Geschlecht aufrechterhalten. Für eine Studie der Universität Southhampton, die im Fachmagazin Evolution and Human Behaviour erschien, wurden Frauen erfundene Profile von Männern vorgelegt, die in unterschiedlichen Bereichen wie Militär, Sport und Geschäftswelt aktiv waren. Danach stellten die Forscher den Frauen Fragen, um zu erkunden, wie sehr diese sich von den verschiedenen Beschreibungen der Männer angezogen fühlten. Dabei zeigte sich, dass sich die Frauen am meisten von einem Soldaten angezogen fühlten und am ehesten bereit waren, sich mit ihm zu verabreden, wenn er für seinen Mut in der Schlacht eine Medaille verliehen bekommen hatte. Zeichen für Heldentum in den anderen Bereichen war für Frauen uninteressant. Eine Folgestudie ergab erneut, dass Heldenmut in der Schlacht das Herz von Frauen höher schlagen ließ, aber Heldenmut bei der Katastrophenhilfe diesen Effekt nicht hatte. [3]

Eigentlich ist dieser erregende Effekt von Soldaten aus der Trivialliteratur für weibliche Leser ebenso bekannt wie aus Kinofilmen von „Top Gun“ bis zu „Ein Offizier und Gentleman“. Der erotische Reiz des Kriegsdienstverweigerers ist ausgesprochen beschränkt. Genau das wird von jeder Regierung ausgenutzt, die ihre Bevölkerung zum Krieg mobilisieren möchte. Ohne massive weibliche Unterstützung würde das weit weniger gut funktionieren. Am Vorabend des Ersten Weltkriegs beispielsweise war in mehreren Staaten Europas der Wunsch weiter Teile der Bevölkerung stark, Soldaten an die Front zu schicken. Um dies zu unterstützen, verteilten britische Frauen weiße Federn als Symbol der Feigheit an alle Männer, die keine Uniform trugen – sogar an Jungen, die nicht alt genug fürs Militär waren. Der Philosophieprofessor David Benatar berichtet beispielhaft die Geschichte Frederick Broomes, der im Alter von 15 Jahren an die Front gekommen war, aber bald mit Fieberkrämpfen nach England zurückkehrte, um auf das Drängen seines Vaters hin aus dem Militär entlassen zu werden. Als Broome etwas später im Alter von 16 Jahren über eine Brücke seiner Heimatstadt ging, traf er auf eine Gruppe von Mädchen, die ihm zu seiner Beschämung drei weiße Federn überreichten. Er fühlte sich daraufhin so gedemütigt, dass er sofort zur Armee zurückkehrte. [4]

Sobald sich der Zeitgeist jedoch wandelte und Krieg als unpopulär erschien, wurden Männer erneut ausgegrenzt – diesmal jedoch die Männer, die an die Front gezogen waren. Als etwa der Vietnamkrieg in den USA an allgemeiner Unterstützung verlor, wurde es immer mehr zur Regel, dass Freundinnen, Verlobte und sogar Ehefrauen sich von den Soldaten trennten, die sich auf sie verlassen hatten. [5] Der wandelnde Zeitgeist spielt eine viel stärkere Rolle als das Geschlecht.

Gibt es nicht doch noch eine Möglichkeit, den sexistischen Mythos von der Frau als dem friedliebenden und dem Mann als dem kriegerischen Geschlecht aufrechtzuerhalten? Wie wäre es mit diesem Versuch: Diejenigen, die ihre Soldaten in die Schlacht schicken, sind doch weit überwiegend Männer. Und genau darum wäre die Welt ein besserer Ort, wenn es mehr Herrscherinnen gäbe.

Aber nein, Frauen sind auch dann keine besseren Menschen, wenn es darum geht, welches der beiden Geschlechter eher einen Krieg beginnt. Tatsächlich verhält es sich sogar umgekehrt: In einer historischen Übersicht vom Ende des fünfzehnten bis zum Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts stellte sich heraus, dass Königinnen eher dazu neigten, einem anderen Land den Krieg zu erklären, als ihre männlichen Gegenstücke.

„Die Menschen haben den vorgefassten Glauben, dass Staaten, die von Frauen geführt werden, weniger Konflikte haben“, erklärte Oeindrila Dube, Assistenzprofessorin für Politik und Wirtschaft an der New York University, nachdem sie ihre Studie bei der Jahrestagung 2015 der American Political Science Association vorgestellt hatte. Aber historisch gesehen stimme das einfach nicht. Nicht nur führten Königinnen mehr Kriege als Könige, sie begannen sie auch eher. Die Vorstellung, dass es weniger globale Konflikte gäbe, wenn mehr Frauen an der Macht wären, ist ein Irrtum. [6]

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[1] Vgl. Farrell, Warren: Mythos Männermacht. Frankfurt am Main 1995, S. 188.

[2] Vgl. Schenk, Roy: The Other Side of the Coin. Causes and Consequences of Men’s Oppression. Madison 1982, S. 37.

[3] Vgl. O’Callaghan, Jonathan: What is war good for? Getting a DATE: Women are most attracted to military heroes, study claims. In: Daily Mail vom 11.3.2015, online unter http://www.dailymail.co.uk/sciencetech/article-2989589/Women-attracted-war-heroes.html.

[4] Vgl. Bourke, Joanna: Dismembering the Male. University of Chicago Press 1996, S. 38, 77, 83ff.

zitiert nach Benatar, David: The Second Sexism, S. 27.

[5] Vgl. Grossman, David: On Killing. The Psychological Cost of Learning to Kill in War and Society. Back Bay Books 1995, S. 277. Zitiert nach Benatar, David: The Second Sexism, S. 63.

[6] Vgl. Collins, Nathan: Queens on Attack. In: Pacific Standard vom 8.9.2015. Online unter https://psmag.com/news/queens-on-attack.