Lexikon der feministischen Irrtümer

Politisch korrekte Vorurteile und männerfeindliche Mythen auf dem Prüfstand der Wissenschaft

von Arne Hoffmann

„Wenn es in einer Gesellschaft sehr viele Männer gibt, führt dies zur Gewalt.“

DIE WAHRHEIT HINTER DEM BELIEBTEN IRRTUM:

Die Behauptung, Gesellschaften mit einem Übergewicht an Männern wären besonders gewaltgeladen, ist eine der tragenden Säulen der Propaganda vor allem gegen muslimische Gesellschaften, bei denen man von einem solchen Männerüberschuss ausgeht. „Dieser Männerüberschuss ist eine Gefahr, unabhängig von dem kulturellen Hintergrund“ erklärte beispielsweise Alice Schwarzer, als in der Flüchtlingsdebatte die Rede davon war, dass sich unter den Geflüchteten 70 bis 80 Prozent junger Männer befänden. [1]

Tatsächlich trifft einmal mehr das Gegenteil zu: In Gesellschaften, in denen es mehr Männer als Frauen gibt, existiert auch eine niedrigere Rate an Morden, Überfällen und Sexualverbrechen. Zu dieser Erkenntnis gelangte ein Forscherteam um den Anthropologen Ryan Schacht an der Universität Utah. Für eine im wissenschaftlichen Fachmagazin Human Nature veröffentlichte Studie analysierten Schacht und seine Kollegen Daten über das Geschlechterverhältnis aus allen 3082 Landkreisen der USA und verglichen diese mit den Kriminalitätsdaten des gleichen Jahres. Bei allen fünf analysierten Deliktarten korrelierten steigende Anteile von Männern in einem Bezirk mit weniger Verbrechen – auch wenn die Forscher andere denkbare Einflussfaktoren wie Armut berücksichtigten.

Wie lässt sich das erklären? Hierzu muss man sich zunächst einmal von dem sexistischen Klischee lösen, dass Männlichkeit an sich zu Gewalt und sexueller Aggression führt (siehe dazu andere Einträge des vorliegenden Lexikons). Stattdessen spielt sich folgender Prozess ab: Wenn es in einer Gesellschaft eine Fülle an Frauen gibt, haben Männer eine große Auswahl und gehen häufiger dazu über, mehrere Beziehungen gleichzeitig zu verfolgen. Das bringt sie eher in Konflikt mit anderen Männern und führt zu problematischem Verhalten. Therese Hesketh, die am University College London arbeitet, untersuchte im Gegensatz zu Schachts Forscherteam die Situation in China. Dort überwiegen vor allem in ländlichen Dörfern aufgrund der Ein-Kind-pro-Familie-Regelung der Regierung Männer deutlich. Es ließ sich aber keine Beziehung zwischen einem hohen Männeranteil und Gewalt finden, berichtet Hesketh. Stattdessen hatten sich viele alleinstehende Männer auf dem Land deprimiert und introvertiert gezeigt. Es gab keine Anzeichen für eine erhöhte Kriminalität oder Angst unter den Frauen. [2]

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[1] Vgl. Poschardt, Ulf: „Sexuelle Gewalt kann eine Kriegswaffe sein“. In: Die Welt vom 16.1.2016, online unter https://www.welt.de/print/die_welt/politik/article151078183/Sexuelle-Gewalt-kann-eine-Kriegswaffe-sein.html.

[2] Vgl. Schacht, Ryan: Marriage Markets and Male Mating Effort: Violence and Crime Are Elevated Where Men Are Rare. In: Human Nature vom Dezember 2016, Volume 27, Issue 4, S. 489–500 online unter https://link.springer.com/article/10.1007%2Fs12110-016-9271-x sowie Coghlan, Andy: Men are more violent when there are more women around. In: New Scientist vom 3.10.2016, online unter https://www.newscientist.com/article/2107806-men-are-more-violent-when-there-are-more-women-around.